Über die Zukunft der Innenstädte und die Notwendigkeit von Allianzen
Ich, ein „Zeitzeuge“? Als solcher wurde ich vom Haus der Bayerischen Geschichte für die Nachwelt interviewt. Im Bereich Stadtplanung und -entwicklung, zu den Themen Innenstadtentwicklung und Verödung der Ortskerne in den letzten Jahren und zur Zukunft unserer Städte. Zunächst kam ich mir vor wie Methusalem, obwohl ich als dreifacher Opa frisch und voller Elan bin und auch die cima als Innovationstreiber und als frisches Team erlebe. Doch je mehr der Interviewer und ich über die Entwicklungen und verschiedenen Epochen zur Rettung der Innenstädte ins Gespräch kamen, desto mehr wurde klar, wie wichtig und erfüllend es ist, sich für das „Herz der Stadt“ einzusetzen, dafür über 30 Jahre zu brennen. Mir wurde bewusst, wieviel Spaß es macht – nach Diskussionen um die ersten Fußgängerzonen, die ersten Kaufhäuser, Einkaufszentren, Fachmarktzentren und nun den Online-Handel – zu erkennen, dass die Innenstädte wohl über Jahrzehnte von alledem die größte Resilienz und Anpassungsfähigkeit bewiesen haben. Innenstädte sind keine Betriebstypen oder Assetklassen. Sie sind fundamentaler Bestandteil unserer Lebenskultur. Schmelztiegel von Innovation und Anker für unsere Gesellschaft. Sie sind es wert, dass sich Allianzen für sie stark machen und Impulse setzen.
Über Möglichkeitsräume
Der gegenwärtige Umbruch in unseren Städten ist für viele eine Herausforderung. Gleichzeitiges Handeln auf verschiedenen Ebenen ist erforderlich. Diverse Labore, Experimente und neue Bündnisse ebenso wie Investitions- und Förderprogramme, Gründerwettbewerbe oder Kampagnen und Events zeugen davon.
Und parallel dazu soll ein langfristiger Strukturwandel für die Zukunftsstadt der nächsten 10 bis 15 Jahre entwickelt werden. Wie lässt sich das alles managen? Welche Hilfen nutzen wirklich? Wie sehen erfolgversprechende Strategien aus? Was muss der Handel tun, um sich neu auszurichten? Wie müssen sich die Städte der Zukunft organisieren? In jedem Falle gilt es, den geforderten Umbau der Innenstädte offensiv und mutig anzugehen. Im Grunde sind dies Aufgaben der gesamten Stadtgesellschaft. Fest steht: der Einzelhandel verliert seine dominante, identitätsstiftende Rolle für die Zentren, die Handelsflächen in den Innenstädten werden geringer. Eine Verschiebung vom reinen Konsum- zum Erlebnis-, Freizeit- und Lebensort zeichnet sich ab. Wir brauchen Treff punkte, Kommunikationsräume, auch konsumfreie Zonen oder weniger ökonomische Nutzungen wie soziale Interaktion, Stadtkultur und Nachbarschaft, die einen vielseitigen Aufenthalt in der Innenstadt ermöglichen. Dabei bleibt das Leitbild der europäischen Stadt städtebauliche Maxime. Die Innenstadt muss als Gesamtdestination überzeugen. Die Stadt der Zukunft ist die Stadt des Dialoges. Es geht dabei vordergründig um aktuelle Themen wie Mobilität, Klimawandel oder Online-Handel. Es geht aber auch um weitergehende Fragestellungen wie die Rolle von Kultur und Geschichte für die Lebendigkeit unserer Städte oder die Offenheit unserer Gesellschaft für Zugewanderte.
Allianzen, Strukturen, institutioneller Aufbau
In der Regel haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern vor allem ein Verwertungsproblem aufgrund der Vielzahl von Erkenntnissen, die vielleicht nicht wirklich neu sind, aber durch Corona besonders deutlich wurden. Da stellt sich mir die Frage: Was braucht es organisatorisch? Mit der Initiative ‘stadtimpulse‘ (www.unsere-stadtimpulse.de) ist es gelungen, eine bisher nie da gewesene Allianz für eine Plattform zu erfolgreichen Innenstadt-Lösungen ins Leben zu rufen. Eine Vielzahl von herausragenden und geprüften Projekten sind exemplarisch auf diesem Portal gelistet, beispielsweise die umgesetzten Projekte “Ebermannstadt: Digitalführerschein” – Schulungen lokaler Unternehmer:innen zu digitalen Themen, „Landkreis Miesbach: OBERLANDCard“ – das erste landkreisweite Bonusbezahlsystem Deutschlands, Start-Up Esslingen – der Business-Wettbewerb für Start-Ups und Gründer oder Bernau: Digitales Stadt- und Standortmarketing mittels Virtual Reality und 360-Grad-Ansichten. Häufig werden solche Innenstadt-Lösungen auf lokaler Ebene ja vom Stadtmarketing und Citymanagement koordiniert, moderiert und vorangetrieben. Die Initiative ‘stadtimpulse‘ ist von der CIMA Beratung + Management GmbH gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden wie Handelsverband Deutschland, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie der Bundesvereinigung für City- und Stadtmarketing Deutschland entwickelt worden. Das Portal stärkt den bundesweiten Wissenstransfer und den Austausch zwischen den Kommunen und ist ein Baustein einer breit angelegten nationalen Innenstadtstrategie zur Gestaltung resilienter Stadtzentren, die derzeit vom Beirat Innenstadt des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erarbeitet wird.
Wenn jetzt die wesentlichen Akteure auf Bundesebene an einem Tisch sitzen und damit eine Abkehr von Einzelinitiativen, interessensgeleiteten Forderungskatalogen etc. verbunden ist, haben wir eine erste, wichtige Etappe erreicht. Vergleichbare Allianzen für Innenstädte müssen auch auf Landesebenen und vor Ort geschehen. Nur so wird es gelingen, den erforderlichen Change-Prozess in unseren Innenstädten dauerhaft zu gestalten. Entscheidend ist, flächenhaft den Umbau der Innenstädte zu initiieren. Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: die Allianzen für die Innenstadt müssen mittel- und langfristig noch breiter aufgestellt werden. Wir brauchen auf Bundes- und Landesebene bzw. auf kommunaler Ebene Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Immobilieneigentümer an einem Tisch. Und müssen auch die Kulturschaffenden, die sozialen Einrichtungen, das Gemeinwesen und Umweltorganisationen etc. noch stärker einbinden. Das ebnet den Weg für ein neues Verständnis des kollaborativen Miteinanders und für eine Abkehr vom sektoralen Agieren.
Wir müssen die Verbands- oder Einzelinteressenbrille mit der Innenstadtbrille tauschen. Um das aufzubauen, braucht es hohe Professionalität und personelle und finanzielle Ressourcen, Wissen über geeignete Instrumente und Verfahren und vor allem Offenheit für ein entsprechendes Veränderungsmanagement. Ich blicke gespannt auf die nächste Epoche der Innenstadt. Sie steckt voller Überraschungen. Bleiben wir neugierig, kreativ, kooperativ und hartnäckig. Wir haben die Chance, breite lokale, wie auch nationale Allianzen für Innenstädte zu schmieden und die Innenstädte in die nächste Zeit zu führen. Von der reinen Shoppingmeile zu „Unsere Mitte.“, die wir gern aufsuchen und auf die wir stolz sind, muss die Devise lauten. Mensch, Qualität und Nachhaltigkeit werden als neue Maßstäbe dienen. Nicht zurück zu alter, sondern auf zu neuer Stärke ist das Gebot der Stunde.
Autor:
Roland Wölfel
Geschäftsführer
CIMA Beratung + Management GmbH
Brienner Straße 45
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