„Neonkram“ mit sehr viel Charme

Leipzigs bekannteste Familie ist eine denkmalgeschützte Werbeanlage

Ein Verein rettet ein beliebtes Baudenkmal. In diesem Falle ist es eine alte Neonreklame, die berühmte Löffelfamilie in der Leipziger Südvorstadt. Ideen wurden entwickelt, Verbündete gesucht und gefunden, nicht nur Geld gesammelt und gespendet, sondern langfristig stabile Einnahmequellen konnten erschlossen werden.

Leuchtreklame

Mit dem Löffelfamilie e.V. ist es gelungen, Personen, Mittel und Wege zu finden, nachhaltig ein Baudenkmal zu erhalten und zu „bewirtschaften“. Doch das lässt sich nicht nur für alte oder neue Lichtobjekte, sondern auch für Denkmale des Handwerks und der Industriekultur, für das In-Gang-Setzen von Maschinen oder Wasserspielen oder gar für andere moderne Attraktionen nutzen.

Dass eine ganze vierköpfige Familie strahlt und blinkt, ist einmalig. Das klappt nur, wenn alle Familienmitglieder auf einmal das Licht der Welt erblickten – oder die Welt ihr Neonlicht. So geschehen 1975 in der Leipziger Karl-Liebknecht-Straße 36. An einer Hauswand des damaligen VEB Feinkost wurde eine Neonlichtreklame für „doppelt konzentrierte Suppen“ errichtet. Eigentlich brauchte es in der Planwirtschaft gar keine Werbung für diese Produkte rund um „OGS“ (Obst, Gemüse, Speisekartoffeln), aber damals galt die Devise, Licht ins Dunkel der Messestadt zu bringen. Und Giebelwerbeanlagen waren schneller gebaut als Häuser. Auch auf vielen Dachzeilen wurden legendäre Leuchtbuchstaben installiert, die weltstädtische Ausstrahlung suggerierten. Viele sind inzwischen verschrottet, weil die Firmen mit dem alten Wirtschaftssystem untergingen, manche erhalten, einige intelligent gerettet. Die „Löffelfamilie“, die „Leipziger Baumwollspinnerei“ oder auch das „Biermännchen“ und die „Isolator“-Zündkerze gehören dazu. Der Denkmalschutzstatus muss dabei nicht nur eine große, vor allem finanzielle Hürde sein. Er kann auch als Chance begriff en werden. Wohnensemble lassen sich identitätsstiftend aufwerten und strahlend mit einem gezielten Standortmarketing vermarkten, vor allem, wenn an Industriekultur angeknüpft wird.

Dass die Neon-Familie immer wieder am (halb)runden Tisch zusammenkam und wiederbelebt werden konnte, ist ihrem großen Freundeskreis und der Sympathie der Leipziger zu verdanken. So organisiert der inzwischen als Verein arbeitende „Löffelfamilie e. V.“ unermüdlich Eigenleistungen und Spenden, aber auch Veranstaltungen zum Tag des offenen Denkmals. Er fand mit so manch technischer Idee auch interessante Lösungen zur Finanzierung von Versicherungen, Reparaturen und Stromverbrauch. Zahlreiche Medienberichte trugen zur Bekanntheit bei. Unzählige Filmaufnahmen nutzten das besondere Flair und die Beliebtheit der charmanten Neonreklame. Von Selfi es mal ganz abgesehen.

Die „Erwecker“ und Bewahrer des Denkmals, die Gründer des Vereins und die, die für die Kult-Reklame in ihre Tasche griffen, sind in den vergangenen 20 Jahren bestaunt, belächelt und sogar bekämpft worden. So viel Mühe für eine defekte Reklame an einer bröckligen Fassade? Doch je moderner das Antlitz der Stadt wurde, je mehr Charmantes dem Glanzvollen weichen musste und je mehr Erinnerungen damit ihren Anker verloren – desto mehr Liebhaber fand die Löffelfamilie. Selbst unter jenen hat sie Freunde gefunden, die neu nach Leipzig kamen und die Stadt erst erkunden mussten und die lernten, was VEB und OGS bedeuten. Also ist allen zu danken, die dieses Potential erkannten und etwas für die Löffelfamilie oder andere alte Leuchtschriften getan haben oder noch tun. Und man möge jenen, die ein ähnlich „altes Ding“ haben, zurufen: Nur Mut! Es lohnt sich!

Anruf beim Denkmal

Leuchtreklame

Gegenwärtig leuchtet die Kult-Reklame täglich nach Sonnenuntergang 90 Minuten. Für längeres Erscheinen fehlt leider das Geld. Deshalb kann sie auch per Anruf auf der kostenpflichtigen Service-Rufnummer 0900-LOEFFEL für drei Minuten (für maximal 2,99 Euro pro Minute) eingeschaltet werden. Dazu hat sich der Verein ein Mini-Hörspiel einfallen und es auf die Bezahl-Hotline schalten lassen, die zur Einnahme von Anrufer-Geld dienen soll. Technisch möglich wird dies durch ein GSM-Modul. Auch eine App und eine Webcam sind eingerichtet, so dass man sogar via Internet von Australien aus sehen kann, wie die kultige Familie ihre Suppe löffelt. Und wo gibt es so etwas schon, dass man ein Denkmal anrufen, es sprechen hören und in Leucht-Bewegung setzen kann?!

 

Daten und Technik

  • Abmessung: ca. 7 m (H) x 12 m (B)
  • Anzahl Neon-Glassysteme: 197 Stück; Glaslänge für 4 Figuren insges. 194 m
  • Entwurf 1973; Jürgen Mau, Theo Hesselbarth
  • Bau durch PGH Neontechnik und Anlagenbau Leipzig
  • Wiederaufbau 1999: NEL Neontechnik Elektroanlagen Leipzig GmbH
  • Glasfertigung: Neon-Glasbläsermeisterin Nadine Micknaß
  • Innenausleuchtung mit modernen, sparsamen LED

Heute muss Stadtmarketing sowieso mehr nach innen gedacht werden. Innenstädte sind attraktiver zu machen und aufzuwerten, Aufenthaltsqualitäten sind zu verbessern.“

 

ERFOLGSFAKTOREN:

1. Ein Verein wurde gegründet und Sponsoren als Mitglieder gewonnen.
2. Moderne Kommunikationsmittel: Webcam, GSM-Modul-Technik und ein Hörspiel sowie eine Bezahl-App sind innovativ.
3. Die Einbindung von Medien und Platzierung auf sozialen Netzwerken ist unerlässlich.

Autor:

Dr. Uwe Teichert
Vorstand des Löffelfamilie e.V. & Geschäftsführer NEL GmbH
Löffelfamilie e.V.
Sebastian-Bach-Str. 44
04109 Leipzig

Tel.: 0341 - 1407672
E-Mail: info@loeffelfamilie.de
www.loeffelfamilie.de

Fotonachweis: AlbrechtLeipzig, CC BY-SA 4.0 und Saalebaer, CC0, via Wikimedia Commons

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