Conservation Gardening: Ein wirtschaftlich tragfähiges Naturschutzinstrument

Mit Dr. Ingmar Staude, Referent auf der Veranstaltung vom Handelsverband Sachsen und der Klimaschutzoffensive des Handels im Botanischen Garten Leipzig sprach HVS-Geschäftsführer Gunter Engelmann-Merkel:

Herr Dr. Staude, Sie forschen auf dem Feld der Biodiversität an der Universität Leipzig. Warum sollten wir uns auch als Unternehmen und Privatpersonen intensivere Gedanken über vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Rote Listen machen?

Viele der derzeit gefährdeten Pflanzenarten sind enorme Ressourcen für die Adaption der Natur zu den dynamischen Umweltveränderungen unserer Zeit. Beispiel: viele gefährdete Pflanzen kommen aus trockenen, nährstoffarmen Lebensräumen, die im Zuge von Stickstoffeinträgen und Landnutzungsveränderungen stark dezimiert worden sind. Genau diese Arten sind jedoch wichtig im Kontext des Klimawandels, denn sie können viel besser mit Dürreperioden auskommen als die nährstoffliebenden Arten, die derzeit noch auf dem Vormarsch sind. Des Weiteren sind derzeit gefährdete Arten wichtige Nahrungsquellen für spezialisierte Insekten. Für die Resilienz unserer Ökosysteme im globalen Wandel sollte der Erhalt dieser Pflanzen von gesellschaftlichem und ökonomischem Interesse sein. Studien schätzen, dass derzeit bis zu 70 % der Pflanzen in Deutschland einen negativen Populationstrend haben. Das heißt, wir setzen gerade viel Hoffnung in ein paar wenige Pflanzenarten, um alle natürlichen Prozesse aufrecht zu erhalten. Sicherer wäre es, sein „Portfolio zu diversifizieren“.

Ihre These und die gute Botschaft ist: Es gibt Hoffnung! Und wir alle können handeln! Welche Möglichkeiten gibt es?

Wichtig ist es, den Natur- und Biodiversitätsschutz in ökonomisch tragfähige Strukturen einzubetten, so dass privates Kapital fließen und vermehrt gesellschaftliches Interesse für diesen generiert werden kann. Das heißt, er sollte partizipativ sein. Mit mehreren Millionen privaten Gärten und öffentlichen Grünflächen gibt es in Deutschland ein großes Potential für den partizipativen Naturschutz in Form von Conservation Gardening. Hierbei geht es darum, rückläufige und auch gefährdete heimische Pflanzen in öffentlichen und privaten, ruralen und urbanen Grünflächen zu pflanzen, und generell um die Trendwende im Gartenbau hin zu einem innovativem Naturschutzinstrument. Seit jeher sind Gärten für die Ausbreitung von vielen Arten verantwortlich, wieso also dieses Potential nicht für unsere verschwindenden Arten nutzen? Außerdem können wir in Gärten genau den Faktor adressieren, weswegen viele Arten verschwinden. Die vermehrte Konkurrenz mit anderen schneller und höher wachsenden Arten, die besser von dem größeren Stickstoffangebot profitieren können, regulieren wir in Gärten sowieso durch das Jäten. „Willingness to act“ für die Biodiversität ist in den letzten Jahren in Deutschland stark gestiegen, des Weiteren belaufen sich die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Blumen und Pflanzen in Deutschland auf knapp 130 Euro. Das heißt, es könnte auch viel ökonomisches Potential für die Produktion gefährdeter Arten zur Verfügung stehen. Wenn also private Gärten sich vermehrt darum bemühen, regional verschwindende Arten zu pflanzen, könnte das einen wichtigen Beitrag für den Artenschutz bedeuten.

Und damit ließen sich eine Trendumkehr einleiten und wirklich Relevantes für die einheimische Pflanzen- und damit auch Tierwelt erreichen?

Viele Faktoren sind für eine solche Trendwende verantwortlich. Viele der gefährdeten Arten sind tatsächlich schon im Handel erhältlich. Wir schätzen, dass ca. 40 % der Rote Liste-Arten in Gärten gut angebaut werden könnten  und dass von diesen 2/3 schon im Handel verfügbar sind. Aber eben noch nicht in den großen Gartenbaumärkten, wo vermutlich die meisten Menschen ihre Pflanzen einkaufen. Wenn es mehr gesellschaftliche Nachfrage für diese gefährdeten Arten gibt, könnte das schon einige Veränderungen in Gang setzten. Wenn Conservation Gardening wirklich zum Trend werden würde, schätzen wir, dass wir das Aussterberisiko von Pflanzen um ca. 25 % reduzieren könnten. Klar hat das auch positive Auswirkungen auf die Tierwelt. Es gibt Fallbeispiele, die zeigen, dass in naturnahen Gärten der Anteil spezialisierter Insektenarten bei fast 75 % liegen kann, und somit wesentlich höher als bei konventionellen Pflanzungen, die oft Kultivare oder visuell ansprechende exotische Pflanzen verwendet. Letztere müssen nicht zwangsweise schlechter für die Insektenvielfalt im eigenen Garten sein, jedoch sind diese Arten dann meist Generalisten und sowieso schon weit verbreitet.

Welche positiven Effekte hat das für das aktive Unternehmen selbst? Und ist dies nicht ein sehr kostenintensives Unterfangen?

Einerseits können Unternehmen solche Aktivitäten für Marketingzwecke benutzen. Andererseits könnten Conservation Gardening-Pflanzungen dürreresistenter sein und so Wassereinsparungen auf unternehmenseigenen Grünflächen bringen. Auch spart man sich den Einsatz von Düngemitteln. In vielen Fällen ist Conservation Gardening also günstiger als konventionelle Bepflanzung, die meist mit mehr Pflegaufwand und jährlichem Pflanzenneukauf verbunden ist. Zusätzlich zeigen nun einige Studien, dass Arbeitnehmer produktiver sind, wenn sie einen Blick aufs Grüne haben. Letztendlich gibt es auch einen intrinsischen Wert für aktive Unternehmen. Wir sind dafür verantwortlich, die Welt zu schaffen, in der wir leben. Wieso erschaffen wir nicht eine schöne und fördern eine Unternehmenskultur, in der wir Biodiversität als wichtige Komponente unseres eigenen Wohlseins betrachten?

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